Messung von Kundenzufriedenheit in Zeiten der Digitalisierung

Das Spannungsfeld zwischen Kundenzufriedenheit und -bindung vor dem Hintergrund der allgegenwärtigen Digitalisierung.
18 Mai 2022
Zufriedene Kunden
Foto Michael Dürr
Michael
Dürr

Senior Director Business Development, Deutschland

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Die Kundenzufriedenheitsmessung gehört mittlerweile im Privat- wie im Firmenkundenbereich zu den Standards, die von der Marktbearbeitung bis zur strategischen Ausrichtung von Unternehmen eine Rolle spielen.

Wer sich aufmerksam durch die Dienstleistungs- und Konsumgüterwelt bewegt, wird schon länger festgestellt haben, dass man an immer mehr Stellen nach der eigenen Zufriedenheit gefragt wird. Es gibt Feedback-Terminals auf Flughafentoiletten und im Fastfood-Restaurant, die zur Eingabe des Zufriedenheitsstatus auffordern.

Anfragen auf redaktionellen Onlineplattformen, die Bitte um Bewertung nach jeder E-Commerce-Transaktion und das Rezensionsmanagement in App-Stores und Vermittlerplattformen sind ebenso obligatorisch, wie die Frage nach der Zufriedenheit mit einem Onlinekonferenzservice.

Die kontinuierliche Messung der Kundenzufriedenheit ist für viele Unternehmen Standard und fest in die Etats eingeplant – mit steigenden Beträgen wegen der vielen neuen virtuellen Kontakt- und Interaktionspunkte und der Anforderungen an die Auswertung immer größerer Datenmengen. Kundenzufriedenheit wird so immer mehr zu einem Kostenfaktor. Um trotz der beschriebenen Dynamik und Vielfalt kosteneffizient agieren zu können, lohnen sich einige grundlegende Überlegungen rund um Kundenzufriedenheit und Kundenbindung.

Der Grad der Kundenzufriedenheit basiert auf dem Verhältnis von positiver Diskonfirmation, Konfirmation und negativer Diskonfirmation. Das heißt, der Kunde oder die Kundin vergleicht aktuelle Erfahrungen mit dem Unternehmen hinsichtlich Produkt, Service, Beratung mit den eigenen Erwartungen. Übertrifft die tatsächliche Leistung die erwartete Leistung (positive Diskonfirmation), so entsteht besonders hohe Zufriedenheit, vielleicht Begeisterung. Entspricht die Ist-Leistung der erwarteten Leistung, wird also die Erwartung bestätigt (Konfirmation), führt das zu Zufriedenheit. Unzufriedenheit entsteht dagegen, wenn die Ist-Leistung die Erwartungen deutlich nicht erfüllt (negative Diskonfirmation).

Es ist anzunehmen, dass Kundinnen und Kunden durch die digitale Verfügbarkeit von Angeboten und den damit verbundenen Versprechen immer höhere Erwartungen haben. Die Usability eines schicken Modeonlineshops gilt dann beispielsweise als Benchmark für das Onlinebanking. Dafür wird dann allein schon wegen der notwendigen Authentifizierungs- und Sicherheitsprozesse wenig Begeisterung – also positive Diskonfirmation − zu erzeugen sein.

Dennoch dürfte Begeisterung als Zielmarke der Kundenzufriedenheit auch für Bankangebote obligatorisch sein. Möglich ist sie allemal, denn die Erwartungshaltung einzelner Kundinnen und Kunden kann völlig unterschiedlich sein. Ebenso wie die individuelle Erfahrung mit dem Angebot. Außerdem spielen auch positiv wahrgenommene, gut gepflegte Markenkriterien eine Rolle für den Grad der Kundenzufriedenheit und -bindung.

Wie misst man Kundenzufriedenheit richtig?

Es gibt unterschiedliche Methoden und Verfahren zur Messung der Kundenzufriedenheit. Objektive Messmethoden definieren die Kundenzufriedenheit durch innerbetriebliche Größen, wie etwa Umsatz und Marktanteil. Hier sind der Interpretation Tür und Tor geöffnet, die Methode sei deshalb hier nur als kontraproduktives Beispiel erwähnt.

Subjektive Methoden legen die Wahrnehmung der Kundinnen und Kunden zugrunde und fragen dort nach, wo die Zufriedenheit zu verorten ist. Verschiedene Verfahren stehen für die unterschiedlichen Fragestellungen zur Verfügung:

Ereignisorientierte Verfahren

Ereignisorientierte Verfahren betrachten die Zufriedenheit mit einem speziellen Kontaktereignis, beispielsweise einem Telefonat, einer bestimmten Onlinetransaktion oder einem Beratungsgespräch.

Merkmalsorientierte Verfahren

In merkmalsorientierten Verfahren werden konkrete Unternehmens-, Marken-, Produkt-, Service- oder Interaktionsmerkmale beurteilt, die möglichst ausgewogen ausgewählt werden sollten. Auch die Relevanz der Merkmale sollte abgefragt werden.

Problemorientierte Verfahren

Problemorientierte Verfahren dienen der Identifikation zufriedenheitsrelevanter Schwierigkeiten. Signale dafür liefert das Onlinerezensions- oder Beschwerdemanagement.
Auf Dauer dürfte es unerlässlich sein, unterschiedliche Verfahren miteinander zu kombinieren. So sollte beispielsweise eine merkmalsorientierte Abfrage der Kundenzufriedenheit zu Unternehmen und Marke möglichst bald durch die Abfrage der Zufriedenheit mit Produkt-, Service - und Interaktionsmerkmalen ergänzt werden. Erst dann lassen sich valide Wirkzusammenhänge erkennen.

Zufriedenheit allein bedingt keine Bindung

Dass zufriedene Kundinnen und Kunden eine hohe Kundenbindung aufweisen, klingt wie eine Binsenweisheit, wäre aber trotzdem zu überprüfen. Denn Menschen sind keine nur rational gesteuerten Vernunftwesen. Deshalb lässt sich die Bindung zu Marke und Unternehmen nicht ausschließlich über Messungen abdecken.

Außerdem dürften die auf Kundenverhalten und -erwartungen einwirkenden Faktoren der Digitalisierung zusätzliche, neue Effekte auf die Kundenbindung haben. Es gilt also, weiterführende und effiziente Messmethoden zu finden, die valide Rückschlüsse auf die für den Markterfolg so entscheidende Kundenbindung an das Unternehmen und die Marke zulassen.

Zu einer starken Kundenbindung tragen neben der Kundenzufriedenheit die Weiterempfehlungsbereitschaft, die Intention zur Fortführung der Geschäftsbeziehung sowie eine geringe Wechselbereitschaft bei. Validierungsstudien des Instituts Kantar für europäische Finanzinstitute zeigen, dass es hohe Korrelationen zwischen diesen vier Dimensionen und wirtschaftlichen Erfolgsfaktoren wie Umsatz je Kundin/Kunde oder die Verringerung der Kündigungsrate gibt. Dies zeigt: Kundenbindung als mehrdimensionales Konstrukt ist ein guter Indikator für tatsächliches Kundenverhalten.

Traditionell werden merkmalsorientierte Leistungsdimensionen wie Produkt, Erreichbarkeit oder Beratungskompetenz als mögliche Einflussfaktoren auf die Kundenbindung gemessen. Zur Optimierung der Kundenbeziehung reicht das allerdings nicht mehr aus, denn Kundenanforderungen werden durch neue digitale Möglichkeiten in allen Dimensionen immer komplexer.

Kundenbindung in Zeiten von Digitalisierung

Denn die Digitalisierung führt zweifelsohne zu mehr Kundenkontaktpunkten und zu besser informierten, anspruchsvolleren Kundinnen und Kunden mit beispielsweise der 24/7-Erreichbarkeit als Basisanforderung. Zudem suchen Menschen heute nach positiven Erfahrungen und weniger nach materiellem Besitz. Laut der Kantar-Studie „CX+ Deutschland“ sagen 54 Prozent der Millennials, dass sie lieber Geld für Erlebnisse als für materielle Dinge ausgeben würden. So empfehlen Kundinnen und Kunden eine Marke oder Unternehmen zehnmal häufiger weiter, wenn sie die Marke über kundenzentrierte und auf sie zugeschnittene Serviceerlebnisse wahrnehmen.

Kundenzentrierung, Omnichannel und das darauf basierende Markenerlebnis gilt es daher in eine moderne Kundenbindungsmessung einzubinden. Unternehmen sollten wissen, ob sie ein nachhaltig positives Erlebnis generieren, mit einem klaren Markenbild, mit maßgeschneiderten Kommunikationskanälen, Services und Produkten und mit Mitarbeitenden, die als vorausdenkend, reaktionsschnell und einfühlsam wahrgenommen werden. All diese Faktoren beeinflussen in der digitalisierten Welt die Kundenbindung.

Vor dem Hintergrund der wachsenden Bedeutung des Markenerlebnisses können Genossenschaftsbanken mit ihrem auf die Mitgliedschaft ausgerichteten Geschäftsmodell punkten. Alle Studienergebnisse zeigen, dass auch in Zeiten massiver Digitalisierung Kundinnen und Kunden mit Genossenschaftsanteilen eine höhere Kundenbindung aufweisen: Ein Drittel der Personen mit Genossenschaftsanteilen sind stark gebunden, im Gegensatz zu denen ohne Anteile. Diese Erkenntnis aus der Kundenbindungsforschung gilt es in der Kommunikation zu nutzen, da dies ein wichtiger Hebel für Kundenbindung ist.

Digitalisierung bietet Möglichkeiten

Um mit Kundinnen und Kunden erfolgreich Kontakt zu halten, sollten auf Basis der Ergebnisse von Kundenbindungsmessungen konkrete Konzepte zur Kundenbindung abgeleitet werden. Die daraus folgenden Erkenntnisse bilden die Basis für zielgerichtete Maßnahmen, das Kundenerlebnis zu optimieren und das Markenbild zu schärfen. Um dies zu erreichen, bedarf es eines so genannten „System of action“.

Das „System of action“ besteht aus vier Facetten:

Kontinuierliches Monitoring der relevanten digitalen und traditionellen Kundenkontaktpunkte

Mithilfe von Impact-Analysen können zielgerichtet die aus Kundensicht wichtigsten Kundenkontaktpunkte identifiziert werden. Diese Kontaktpunkte sind kontinuierlich zu monitoren. Dies geschieht am besten über eine transaktionale Kundenbefragung: Die Kundinnen und Kunden werden kurz nach einem Kontaktpunkterlebnis um Feedback gebeten. Die Ergebnisse werden mit Erkenntnissen aus umfassenderen Befragungen abgeglichen. So lassen sich schnell die Auswirkungen von eingeleiteten Maßnahmen messen und neue Maßnahmen planen.

Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen, denn sie liefert nicht nur neue Kundenkontaktpunkte, sondern auch neue Möglichkeiten

So kann man Kundenfeedbacks direkt nach einem Chat einholen und zusammen mit den Informationen aus dem Chat für die Analyse und Maßnahmenableitung verwenden. Künstliche Intelligenz ermöglicht die Analyse und Aufbereitung großer Datenmengen, die zum Beispiel in Servicecentern generiert werden.

Aktivierung der Mitarbeitenden zur konsequenten Ausrichtung auf das positive Kundenerlebnis

Mit den Mitarbeitenden steht und fällt der Erfolg eines Kundenbindungsprogramms. Für sie sollte es zum Alltag gehören, mit Kundenfeedbacks zu arbeiten, ihren Verantwortungsbereich danach regelmäßig zu optimieren und Ressourcen für die wichtigsten Kundenkontaktpunkte zu priorisieren. Auch hier liefert die Digitalisierung neue Möglichkeiten. Zum Beispiel können über Experience-Management-Plattformen jedem Mitarbeitenden genau die Daten und Informationen zur Verfügung gestellt werden, die sie/er benötigt – wenn notwendig in Echtzeit.

Gegenseitiges Lernen

Aus den Maßnahmen resultierende Erkenntnisse sollten regelmäßig intern kommuniziert werden. Das erhöht die Aufmerksamkeit für das Thema und fördert den kreativen Austausch. Informationsaustausch ist wichtig bei der Optimierung der Kundenerfahrung, und damit der Kundenbindung. Die Erfahrung zeigt, dass ähnliche Herausforderungen oftmals an mehreren Stellen in einem Unternehmen auftauchen. Warum also nicht voneinander lernen? Auch hier bietet die Digitalisierung wieder neue Möglichkeiten. Man denke zum Beispiel nur an den Datenschatz, den Unternehmen heutzutage über ihre Kundinnen und Kunden haben. Die Verknüpfung dieser Daten mit denen der Kundenbefragung bietet wertvolle neue Erkenntnisse. Beispiel: Welche Wartezeit im Callcenter hat einen deutlich negativen Einfluss auf die Kundenerfahrung an diesem Kontaktpunkt?

Das „System of Action“ zeigt, dass Kundenbindung eine ganzheitliche organisatorische Aufgabe ist. Im Kern geht es darum, sich in die „Welt der Kundinnen und Kunden“ zu versetzen, Kundenfeedbacks in Maßnahmen umzusetzen und eine priorisierte Optimierung an den entscheidenden Kontaktpunkten zu erreichen. Da sich Kundenanforderungen immer schneller verändern, ist Kundenbindungsmanagement eine Daueraufgabe für Unternehmen.

Originalartikel: Duerr, Michael; Müller, Heinz: Messungen wichtig wie nie. In: Bankeninformation, 04/2022, S. 28-32

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