Fahrgäste zeigen gegenüber dem Deutschland-Ticket große Loyalität

Ergebnisse des 26. ÖPNV-Kundenbarometer von Kantar
19 September 2024
OEPNV Kundenbarometer 2024
Christian Jödden
Christian
Jödden

Director

Anselm Speich
Anselm
Speich

Senior Consultant

Foto Viktoria Becker
Viktoria
Becker

Public Relations

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  • Die Wenigsten, die das Deutschland-Ticket ausprobiert haben, wenden sich davon wieder ab
  • Nutzung offenbart starkes Stadt-Land-Gefälle
  • Großteil der Befragten ist hoch zufrieden mit dem Deutschland-Ticket
  • Bei Abschaffung des Tickets könnte der ÖPNV rund neun Prozent der Fahrgäste, die heute das Deutschland-Ticket nutzen, einbüßen

Kantar, das weltweit führende Unternehmen für Marketing-Daten und -analysen, untersucht im jährlichen ÖPNV-Kundenbarometer bereits zum 26. Mal die ÖPNV-Nutzung von Fahrgästen ab 16 Jahren und die Zufriedenheit mit dem öffentlichen Nahverkehr. Basierend auf ihrer langjährigen Erfahrung begutachten die Mobilitätsexpertinnen und -experten bei Kantar anhand der Umfrageergebnisse die Entwicklungen und Trends im ÖPNV. Am ÖPNV-Kundenbarometer 2024 haben 44 Verkehrsunternehmen und Verkehrsverbünde teilgenommen, um – im Vergleich mit den anderen Teilnehmenden – die Zufriedenheit und ÖPNV-Nutzung der jeweils eigenen Kundinnen und Kunden zu untersuchen. In diesem Jahr lag, wie bereits im Vorjahr, ein besonderer Studienfokus auf dem Deutschland-Ticket. Dieses, so lässt sich erkennen, hat sich bei vielen Fahrgästen zum bevorzugten Fahrschein entwickelt. 

Ein Baustein des ÖPNV-Kundenbarometers ist eine repräsentative deutschlandweite Erhebung zur ÖPNV-Nutzung. Die Ergebnisse dieser Basiserhebung zeigen, dass bei 35 Prozent der Personen, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, das Deutschland-Ticket der hauptsächlich genutzte Fahrschein ist. Hinzu kommen noch zwölf Prozent der Befragten, die das Deutschland-Ticket schon ein- oder mehrmals gekauft haben, es auch zukünftig wieder kaufen werden, aber zum Befragungszeitpunkt kein Deutschland-Ticket besitzen. Fast die Hälfte aller ÖPNV-Nutzenden, nämlich 47 Prozent, verwendet zumindest zeitweise das Deutschland-Ticket. Darüber hinaus gibt es weitere elf Prozent, die das Ticket bisher noch nicht in Anspruch genommen haben, ihm jedoch aufgeschlossen gegenüberstehen und es sich für die Zukunft vorstellen können. Die verbleibenden 41 Prozent der Fahrgäste bevorzugen andere Tickets im ÖPNV und sehen keinen persönlichen Vorteil im Deutschland-Ticket. Diese Gruppe wird durch das Angebot nicht angesprochen. Dabei gibt es regional große Unterschiede, wie viele ÖPNV-Nutzende mit dem Deutschland-Ticket unterwegs sind. Im ÖPNV-Kundenbarometer wurde eine Spannbreite von gut 20 Prozent bis hin zu 50 Prozent der Nutzenden gemessen, die im Sommer 2024 ein Deutschland-Ticket besessen haben. Dabei zeigt sich, dass dort, wo regional ermäßigte Deutschland-Tickets angeboten werden, die Nutzung entsprechend höher ausfällt.

Nur sehr wenige Personen, die das Deutschland-Ticket einmal ausprobiert haben, wenden sich davon wieder dauerhaft ab: In der regionalen Betrachtung des ÖPNV-Kundenbarometers sind das zwischen drei und sieben Prozent aller Nutzenden des ÖPNV. Diese Personen haben das Ticket mehrheitlich für einen bis maximal zwei Monate ausprobiert, bevor sie es wieder gekündigt haben.

Bereits zum Start des Deutschland-Tickets im Mai 2023 hatten bundesweit etwa 30 Prozent der ÖPNV-Nutzenden ein Deutschland-Ticket erworben. Christian Jödden, Abteilungsleiter Mobility bei Kantar in München, stellt anhand der Entwicklung der Nutzungszahlen fest: „Nach über einem Jahr Deutschland-Ticket können wir sehen, dass durch das Ticket nur wenige neue Kunden für den ÖPNV gewonnen werden konnten.“ Jödden erläutert: „Das Angebot wird vor allem von Personen in Anspruch genommen, die bereits vorher ÖPNV-Kundinnen und Kunden waren. Eine Aktivierung von Personen, die vor dem Deutschland-Ticket den ÖPNV nicht genutzt haben, ist kaum zu verzeichnen. Dieser Anteil liegt in den meisten Regionen bei maximal fünf Prozent aller Nutzenden des Deutschland-Tickets.“

In den im Rahmen des ÖPNV-Kundenbarometers untersuchten Regionen zeigt sich ein sehr unterschiedlicher Nutzungsanteil an prinzipiell Nutzenden des Deutschland-Tickets von 40 bis knapp über 66 Prozent. Besonders profitieren offensichtlich Fahrgäste in größeren Städten und großen Ballungsräumen mit 200.000 oder mehr Einwohnern vom Deutschland-Ticket, speziell wenn in diesen Regionen auch ein gutes ÖPNV-Angebot vorliegt. In diesen Regionen liegt die Verbreitung bei durchschnittlich 45 Prozent, wohingegen in ländlichen Gebieten mit 27 Prozent nur gut ein Viertel der Fahrgäste ein Deutschland-Ticket besitzt.

Die ÖPNV-Nutzenden wägen sehr rational ab, ob und in welchen Monaten sich das Ticket-Angebot für sie lohnt. Entsprechend wird das Deutschland-Ticket oder ein alternatives Ticket-Angebot gewählt. Gut zwei Drittel (68 Prozent) der prinzipiell Nutzenden des Deutschland-Tickets erwerben das Deutschland-Ticket dauerhaft, neun Prozent in mindestens neun Monaten und jede fünfte befragte Person für einen bis maximal acht Monate pro Jahr.

Anselm Speich, Projektleiter bei Kantar im Bereich Mobility, betrachtet das Deutschland-Ticket trotz dieser Zahlen als Erfolg: „Je nach untersuchter Region im ÖPNV-Kundenbarometer geben zwischen zwei Drittel und 80 Prozent der Ticketinhaber an, dass sie heute den ÖPNV häufiger in Anspruch nehmen als vor Einführung des Deutschland-Tickets. Diese verstärkte Inanspruchnahme – oft begleitet von dem beruhigenden Gefühl, dass die Fahrt mit Bus oder Bahn bereits abgedeckt ist – ist vor allem das Ergebnis einer vermehrt spontanen Nutzung. Dies kann sich nicht zuletzt auch positiv auf das Preis-Leistungs-Verhältnis des ÖPNV auswirken.“

Das Deutschland-Ticket hat zwar kaum neue Fahrgäste für den ÖPNV gewonnen, jedoch einen erheblichen Schub bei der Digitalisierung sowohl auf Seiten der Anbieter als auch der Fahrgäste bewirkt: Regional nutzen bis zu drei Viertel aller Personen mit Deutschland-Ticket die App-Variante. Im ÖPNV-Kundenbarometer zeigt sich, dass die Branche in digitalen Bereichen insgesamt besser bewertet wird als in der Vergangenheit. Dies betrifft sowohl die App-Angebote und digitalen Ticketlösungen als auch den Online-Auftritt, wie beispielsweise die Websites der Anbieter.
Insgesamt wird das Deutschland-Ticket von den Fahrgästen als praktisches und unkompliziertes Angebot wahrgenommen, als zeitgemäß und umweltfreundlich eingeschätzt. Aus ihrer Sicht richtet es sich an eine breite Zielgruppe und ergänzt das Fahrscheinangebot vieler Verkehrsanbieter sinnvoll. Nur wenige Fahrgäste befürchten, dass durch das Ticketangebot zu wenig Geld für Investitionen im ÖPNV zur Verfügung stehen könnte.

Zudem hat sich gegenüber dem Vorjahr die Meinung darüber verbessert, wie gut die Verkehrsunternehmen vor Ort das Deutschland-Ticket umsetzen. Offenbar haben die Unternehmen hier die Herausforderungen der Einführungsphase gut gemeistert.
Die Hauptgründe für den Erwerb des Deutschland-Tickets sind in erster Linie die erleichterte Anwendung des ÖPNVs und die finanziellen Vorteile im Vergleich zu früheren Ticketangeboten. Die Möglichkeit, mehr Fahrten innerhalb oder außerhalb des lokalen ÖPNV-Angebotes zu unternehmen, sind ebenfalls relevant, spielen aber nur eine nachgelagerte Rolle. 

Das Deutschland-Ticket wird meistens bei den lokalen Verkehrsunternehmen oder -verbünden erworben bzw. in Form eines Jobtickets über den Arbeitgeber. Eine weitere wichtige Bezugsquelle ist die Deutsche Bahn. Vor allem dort, wo vor der Einführung des Deutschland-Tickets wenige Abo-Angebote genutzt wurden, spielt die Deutsche Bahn eine wichtige Rolle als Bezugsquelle des Tickets. Die Sammelplattformen Deutschland-Ticket.de und mo.pla spielen insgesamt nur eine nachgelagerte Rolle als Bezugsquelle des Tickets. 
Die Nutzenden des Deutschland-Tickets sind sowohl vorherige Zeitkarten- und Abo-Kund*innen als auch ehemalige Nutzer*innen des sogenannten Bartarifs, d.h. von Fahrscheinen, die ohne Abo-Abschluss erworben werden. Ausschlaggebend für den Erwerb des Deutschland-Tickets ist dabei vor allem, ob das Deutschland-Ticket eine günstigere Option gegenüber dem vorher genutzten Fahrschein darstellt.

Regional haben 20 bis 44 Prozent der Personen, die prinzipiell den ÖPNV nutzen, das Deutschland-Ticket noch überhaupt nicht in Anspruch genommen und bekunden auch kein Interesse daran. Dies wird meist mit einem fehlenden persönlichen Bedarf für das Ticket begründet. Diese Personen fahren entweder nicht häufig genug mit dem ÖPNV, als dass sich dieses Ticketangebot lohnen würde - sie würden die deutschlandweite Gültigkeit des Fahrscheins ohnehin nicht nutzen - oder sie haben ansonsten eine prinzipielle Präferenz für das Auto.
Sollte das Deutschland-Ticket abgeschafft werden, gehen etwa neun Prozent der aktuellen Deutschland-Ticket Inhaber davon aus, dass sie den ÖPNV dann nicht mehr nutzen würden.
Ansonsten wechseln die aktuellen Deutschland-Ticket-Kundinnen und -Kunden nach eigenen Angaben wieder entweder in den Bartarif oder in Abo- und Zeitkartenangebote - jeweils abhängig davon, was für sie die finanziell beste Option darstellt. Zudem hoffen viele Personen, die dem ÖPNV weiter verbunden bleiben wollen, dass sie in dem Fall in ein gefördertes Jobticket- Angebot wechseln können oder ein alternatives und preisgünstiges Abo abschließen können.

Über das ÖPNV-Kundenbarometer

Das ÖPNV-Kundenbarometer erfasst jährlich die Zufriedenheit der Fahrgäste ab 16 Jahren mit dem öffentlichen Nahverkehr. 2024 umfasst die Studie insgesamt über 24.000 repräsentative Telefon- und Online- Interviews mit Nutzern von ÖPNV-Verkehrsmitteln, die in insgesamt 44 Bedienungsgebieten von Verkehrsverbünden und Verkehrsunternehmen erhoben wurden. Die Fahrgäste wurden unter anderem nach ihrem Nutzungsverhalten und ihrer Zufriedenheit mit insgesamt bis zu 40 Leistungsmerkmalen befragt. 

 
 

 

 

 
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