Zufriedenheit mit dem ÖPNV 2024

Ergebnisse des Kantar ÖPNV Kundenbarometers, der größten Vergleichsstudie für den ÖPNV im deutschsprachigen Raum
02 Oktober 2024
ÖPNV Kundenbarometer 2024
Christian Jödden
Christian
Jödden

Director

Anselm Speich
Anselm
Speich

Senior Consultant

Foto Viktoria Becker
Viktoria
Becker

Public Relations

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Das ÖPNV-Kundenbarometer untersuchte Nutzungsverhalten und wichtige Bereiche der „Customer Experience“ bei 43 ÖPNV-Anbietern aus Deutschland und einem Teilnehmer aus Österreich: Die ÖPNV-Nutzung hat seit der Einführung des Deutschland-Tickets im Mai 2023 auch im Jahr 2024 weiter zugenommen. Deutschlandweit ist die Zufriedenheit mit dem ÖPNV gegenüber dem Vorjahr deutlich zurückgegangen. Regional gibt es dabei große Unterschiede: Rund ein Drittel der Teilnehmer am ÖPNV-Kundenbarometer konnte den Wert für die Globalzufriedenheit sogar verbessern. Den Spitzenplatz bei der Globalzufriedenheit belegt 2024 die Dresdner Verkehrsbetriebe AG (DVB) vor der Erfurter Verkehrsbetriebe AG (EVAG) und - auf einem gemeinsamen dritten Platz – die ÜSTRA Hannover sowie die „Innsbrucker Verkehrsbetriebe und Stubaitalbahn GmbH“ (IVB).

Nach der Entscheidung der Verkehrsministerkonferenz, den monatlichen Preis für das Deutschland-Ticket ab dem 1. Januar 2025 auf 58 Euro zu erhöhen, stellt sich unter anderem die Frage, wie viele Nutzerinnen und Nutzer ihr Ticket aufgrund dieser Erhöhung kündigen werden und wie stark die Abwanderung ausfällt.

Zusätzliche lokale Tarifangebote erhöhen die Zufriedenheit

Das ÖPNV-Kundenbarometer 2024 von Kantar zeigt, dass die Zufriedenheit mit dem Tarifsystem und dem öffentlichen Personennahverkehr insgesamt besonders hoch ist, wenn vor Ort neben dem Deutschland-Ticket auch attraktive Tarife angeboten werden, die zur individuellen Mobilität passen. Daher ist es für den ÖPNV weniger entscheidend, ob das Deutschland-Ticket 49 Euro oder 58 Euro kostet, sondern ob das lokale Tarifangebot im Zusammenspiel mit dem Deutschland-Ticket ein gutes Gesamtangebot darstellt. So bleiben Kundinnen und Kunden dem ÖPNV prinzipiell erhalten, selbst wenn sie zu einem anderen Fahrschein als dem Deutschland-Ticket wechseln.

Kantar, das weltweit führende Unternehmen für Marketing-Daten und -analysen, untersucht seit 26 Jahren kontinuierlich Nutzungsverhalten und Zufriedenheit der Fahrgäste mit dem öffentlichen Nahverkehr im jährlich durchgeführten ÖPNV-Kundenbarometer. Auf Basis dieser langjährigen Umfrageergebnisse bewerten die Mobilitätsexpertinnen und -experten bei Kantar die Entwicklungen und Trends im ÖPNV. Ergänzt wird das ÖPNV-Kundenbarometer durch eine deutschlandweite, repräsentative Benchmark-Studie, basierend auf 2.265 telefonischen und Online-Interviews mit aktuellen ÖPNV-Nutzerinnen und -Nutzern. Die Teilnehmer am ÖPNV-Kundenbarometer können dadurch Zufriedenheit und ÖPNV-Nutzung der jeweils eigenen Kundinnen und Kunden mit denen anderen Regionen und dem deutschlandweiten Benchmark vergleichen.

Dresdner Verkehrsbetriebe führend

Die Dresdner Verkehrsbetriebe AG (DVB) belegen 2024 den Spitzenplatz bei der Globalzufriedenheit unter den teilnehmenden Unternehmen des ÖPNV-Kundenbarometers. Auf Platz zwei folgt die Erfurter Verkehrsbetriebe AG (EVAG). Den dritten Platz teilen sich die ÜSTRA in Hannover und die Innsbrucker Verkehrsbetriebe (IVB), der einzige österreichische Teilnehmer am diesjährigen ÖPNV-Kundenbarometer.

Dies fanden die Verkehrsforscher von Kantar in ihrem ÖPNV-Kundenbarometer 2024 heraus. Insgesamt 44 Nahverkehrsanbieter beteiligten sich 2024 an der größten Vergleichsstudie für den ÖPNV im deutschsprachigen Raum. Mehr als 24.000 ÖPNV-Nutzende wurden von April bis Juli 2024 telefonisch und online befragt, um die Qualitätswahrnehmung der Fahrgäste zu ermitteln. Rund 40 Leistungsmerkmale aus den Kategorien Angebot, Tarif, Sicherheit, Verkehrsmittel, Haltestellen und Kundenbeziehung, die somit alle wichtigen Bereiche der Kundenzufriedenheit im ÖPNV abdecken, stehen im Fokus der Untersuchung. Auch 2024 wurde der Nutzung des Deutschland-Tickets ein besonderes Augenmerk gewidmet, da dies bei rund 35 Prozent der Personen, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, der hauptsächlich genutzte Fahrschein ist.

Euphorie ist verflogen

Im Einführungsjahr des Deutschland-Tickets hatte sich 2023 die Zufriedenheit mit dem ÖPNV deutlich verbessert. Diese Euphorie ist 2024 verflogen: Die Zufriedenheit mit dem ÖPNV hat insgesamt deutlich nachgelassen und befindet sich im bundesdeutschen Durchschnitt auf dem niedrigsten Wert der letzten 20 Jahre. Allerdings konnten sich laut aktuellem ÖPNV-Kundenbarometer immerhin 13 Verkehrsunternehmen und -verbünde individuell bei der Globalzufriedenheit gegenüber dem Vorjahr verbessern.

Anselm Speich, Studienleiter in der Abteilung Mobility bei Kantar, erklärt: „Diese deutlichen Verbesserungen trotz eines allgemeinen negativen Trends zeigen, dass viele ÖPNV-Anbieter die letzten zwei Jahre intensiv genutzt haben, um ihre Angebote in wichtigen Bereichen deutlich zu verbessern.“

Das von den Fahrgästen empfundene Preis-Leistungsverhältnis bei der Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel spielt eine wichtige Rolle. Neben den Innsbrucker Verkehrsbetrieben (IVB) erhalten die regiobus Hannover (regiobus), der TüBus in Tübingen sowie die Öffis des Nahverkehrs Hameln-Pyrmont (Öffis) die besten Bewertungen durch ihre Fahrgäste hinsichtlich der Zufriedenheit mit dem Preis-Leistungs-Verhältnis.

Das lokale Tarifsystem hat großes Potenzial, das Preis-Leistungsempfinden der Kundinnen und Kunden zu beeinflussen. Für ihre Tarifsysteme erhalten regiobus und die Stadtwerke Münster (SWMS) gute Noten von den Befragten. Im Vergleich der Teilnehmer folgen die Öffis gemeinsam mit den Stadtwerken Wilhelmshaven (SWWV). Neben einer sehr guten Bewertung bei der IVB erhalten regiobus, die Göttinger GöVB, die Stadtwerke Landshut (SWL), die SWMS, die Stadtwerke Hamm (SW HAM) sowie die ÜSTRA gute Bewertungen für ihr Fahrkartensortiment.

Christian Jödden, Director bei Kantar Mobility in München, erklärt: „Das Deutschland-Ticket ist nicht das einzige Angebot. Einige Verkehrsunternehmen fördern den Verkauf dieses Tickets durch attraktive Subventionen, während in manchen Regionen sogar günstigere Alternativen zum Deutschland-Ticket verfügbar sind. Wir beobachten, dass in diesen Regionen die Zufriedenheit mit dem Tarifangebot besonders gut ausfällt.“

Bewertungen für Autos und Fahrräder besser

Während die allgemeine Zufriedenheit und das Wohlbefinden der Fahrgäste bei der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel gegenüber 2023 deutlich gesunken sind, haben sich diese Bewertungen für Autos und Fahrräder verbessert. Anselm Speich erklärt sich die Entwicklungen beim ÖPNV so: „Die Fahrgastzahlen nehmen zu, die Taktfrequenzen im ÖPNV müssten mitziehen. So aber wird es in den Bahnen und Bussen enger, dementsprechend nehmen Zufriedenheit und Wohlbefinden bei der ÖPNV-Nutzung ab.“

Im Vergleich der Teilnehmer zeigt sich bei der Zufriedenheit mit den Taktfrequenzen eine Spitzengruppe, zu der IVB, EVAG, ÜSTRA, DVB und TüBus gehören.

Das Platzangebot im Fahrzeug wird lediglich bei IVB, DVB sowie beim SWN Verkehr in Neumünster (SWN) als sehr gut bewertet. Als einziger Verbund erhält der Verkehrsverbund Oberelbe (VVO) für das Platzangebot in seinen Fahrzeugen eine gute Note.

Ebenso für Komfort und Bequemlichkeit im Fahrzeug führt der VVO mit einer guten Bewertung die Verkehrsverbünde an. Unter den Verkehrsunternehmen werden Komfort und Bequemlichkeit besonders gut bewertet bei IVB, DVB, EVAG, regiobus und dem SWN.

Mangelndes Sicherheitsempfinden hält von der Nutzung ab

Die persönliche Sicherheit im Fahrzeug in den Abendstunden wird im Teilnehmervergleich besonders gut bewertet bei der IVB, gefolgt von GöVB, SWL, SWMS, regiobus, den Öffis und der WVG Wolfsburg.

Auch an den Haltestellen kann es mangelndes Sicherheitsempfinden sein, das Fahrgäste insbesondere in der Dunkelheit von der Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel abhält. Bei der Zufriedenheit mit der abendlichen Sicherheit an Haltestellen geben im Teilnehmervergleich nur die Fahrgäste der IVB eine sehr gute Beurteilung, gefolgt mit deutlichem Anstand von den SWL und im Weiteren den SWMS, TüBus, DVB, GöVB, der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) sowie den Stadtwerken Augsburg (swa).

Die Bemühungen der ÖPNV-Anbieter um Barrierefreiheit für mobilitätsbeeinträchtigte Personen variieren. Spitzenreiter im Vergleich sind die Hallesche Verkehrs AG (HAVAG), gefolgt von regiobus, den Stadtwerken Ulm (SWU), der Reutlinger Stadtverkehrsgesellschaft (RSV) und ÜSTRA.

Die ÖPNV Anbieter unternehmen viele Anstrengungen um die Verkehrswende voranzutreiben und insgesamt selber den ökologischen Fußabdruck zu verbessern. Diese Bemühungen werden von den Fahrgästen unterschiedlich wahrgenommen. Die beste Beurteilung für ihre Bemühungen zum Umweltschutz bekommen 2024 die IVB, regiobus, TüBus, ÜSTRA, EVAG, SWMS sowie die MVG.

Kantar führt das ÖPNV-Kundenbarometer auch 2025 wieder durch. Besonders spannend dürfte sein, wie die Fahrgäste auf die beschlossene Preiserhöhung des Deutschland-Tickets reagieren und ob sich Veränderungen im Nutzungsverhalten des ÖPNVs ergeben.

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