Bei einem Chatbot zum Beispiel handelt es sich um einen text- oder sprachbasierten Dialog zwischen Mensch und Maschine. Menschen können durch einfache Spracheingabe mit einem technischen System chatten, was bei besonders smarten Algorithmen auch Small Talk umfasst. Machine-Learning Algorithmen („Natural Language Processing“) extrahieren dabei Themen aus Texten, um darauf zu reagieren. Kaum ein Online Shop kommt noch ohne einen „Beratungsassistenten“ aus, der einem behilflich sein will.
Auch an der Marktforschung ist diese Diskussion nicht vorüber gegangen. Nach tatsächlichen Anwendungsbeispielen der neuen Technologie sucht man allerdings oft vergeblich.
Wir haben uns dieser Herausforderung gestellt. Anhand von zwei Studien haben wir eine Kombination des qualitativen Chatbots mit einem Discrete Choice Modell („Conjoint“) getestet.
Kombination aus qualitativem Chatbot & Conjoint
Discrete Choice Modelle („Conjoints“) sind bestens geeignet, um Präferenzen für Produktmerkmale zu bestimmen. Der große Vorteil von auswahlbasierten Methoden kann aber zu einem Problem werden, wenn eine Befragungsperson Erläuterungen wünscht: Wie funktioniert das genau und was habe ich davon? Viele Konsumenten erwarten zudem, dass sie Angebote nicht nur wählen, sondern auch kommentieren können. Chatbots bieten die Möglichkeit passive Befragungspersonen zu aktiven Anwendern zu machen.
Das rein quantitative Conjoint-Verfahren wird um eine qualitativ-interaktive Komponente ergänzt. Der Chatbot soll den Befragten zu eigenen Fragen und Kommentaren anregen. Gerade in frühen Phasen eines Innovationsprozesses, etwa beim Testen eines Minimum Viable Products mit stark involvierten Nutzern können so zusätzliche Aspekte und Ideen in den Fokus geraten, die mit herkömmlichen Methoden unbeachtet blieben.
Während des Interviews kann der Befragte einem Chatbot Verständnisfragen stellen. Ab etwa der Hälfte der Choice Tasks schaltet sich der „Verbesserungsbot“ zu. Der Chatbot wurde trainiert Vorschläge zu verstehen, zu klassifizieren und adäquat mit Nachfragen zu reagieren. Dabei kann er sich zwischen einem dezidierten Nachfassen zu dem erkannten Thema oder einer explorativen Frage zur weiteren thematischen Einordnung entscheiden. Eine Natural Language Processing Pipeline in Echtzeit ermöglicht diese flexible Gesprächssteuerung.
Im Anschluss wird jedem Befragten seine jeweils beste Angebotskombination angezeigt. Diesmal wird explizit nach einer möglichen Verbesserung dieses individuell zusammengestellten Konzepts gefragt.
Hier werden nun die beiden Methoden der künstlichen Intelligenz zusammengeführt: Die quantitativ-auswahlbasierte Optimierung und die qualitativ-interaktive Optimierung.
Bei der Auswertung der Studien zeigte sich, dass mit dem Chatbot mehr Information gesammelt wurde, als wir generell bei offenen Fragen in unseren Fragebögen haben. Diese Quantität schlägt sich auch in Qualität nieder. Man bekommt neue Themen, die über das Conjoint hinausgehen. Die gezielte Nachfrage eröffnet außerdem eine zusätzliche Ebene an Information, die man ansonsten nicht gehabt hätte.
Beispiel aus der Studie zum Thema Carsharing
Die Nutzungsquote in unserem Interview zeigt, dass Chatbots nicht geeignet sind, um mäßig involvierten Befragungspersonen Verständnisfragen oder Verbesserungsvorschläge zu entlocken. Wenn jedoch ein konkretes Interesse an Nutzung oder Kauf der betreffenden Produkte oder Dienstleistungen besteht, dann sehen wir eine bemerkenswert hohe Nutzungsbereitschaft. Hierbei ist zu bedenken, dass es sich bei einem Chatbot um ein rein freiwilliges Angebot an die Befragten handelt.
Chatbots sind somit für involvierte Befragungspersonen eine sehr attraktive Ergänzung zu quantitativen Befragungsmethoden. Viele Konsumenten haben mehr mitzuteilen – und wollen mehr mitteilen – als eine auswahlbasierte Methode zulässt. Nutzungsrate und -qualität lassen sich erhöhen, wenn auch der quantitative Befragungsteil auf individuelle Antworten intelligent reagiert. Man zeigt so der Befragungsperson, dass sie und ihre individuellen Wünsche ernst genommen werden.